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An einem Abend Ende Juli

Worüber schreibt man eine Kolumne zum Jahresende nach einem Jahr wie diesem?  

Ehrlich gesagt, ich mag weder über diese elendigliche Pandemie noch über diesen renitenten Präsidenten schreiben. Beide haben schon genug zu reden gegeben, und das werden sie bestimmt auch im nächsten Jahr noch tun. Was war denn da noch? Buschbrände in Australien: zu weit weg.Crypto-Leaks: kein Kommentar.

Black Lives Matter: Mir fehlen die Worte.

Worüber also schreiben?

Vielleicht über diesen einen Abend Ende Juli.

Es war kurz vor dem Einnachten. Wir packten Fernrohr, Sternkarte, Taschenlampe und die Kinder ins Auto und fuhren auf die Moosegg. Dort parkierten wir auf einem Feldweg und packten alles wieder aus. Dann stolperten wir im Halbdunkeln über eine abgegraste Weide, bis wir einen guten Ausblick in nordöstlicher Richtung hatten. Der Himmel war wolkenfrei, die Sicht war bis nach hinten in den Jura klar.

Wir warteten.

Es wurde dunkler. Die Scheinwerfer vom Weissenstein strahlten über das Mittelland. Am Firmament zeigten sich die ersten Sterne und langsam hob sich ein blasser Schimmer vom Himmel ab. Deswegen hatten wir diesen Ausflug gemacht. Eine helle Schliere auf schwarzem Grund. Der Komet Neowise. Wäre der Himmel ein Gemälde, man hätte meinen können, der Maler habe ein wenig gepfuscht. 

Im Internet steht, der Komet sei nach dem Teleskop benannt, mit welchem er im März 2020 entdeckt wurde. Near Earth Object Widefield Infrared Survey Explorer – NEOWISE. 

Er kam schon öfter hier vorbei. Etwa alle 6800 Erdenjahre. Möglicherweise hat er bei seinem letzten Besuch auch schon einen Namen erhalten, einen anderen. Anstelle von Forschern mit Hornbrillen und weissen Kitteln waren es damals wahrscheinlich ein paar bärtige Druiden, die sich aufgeregt in einem Steinkreis drängten und mit knorrigen Fingern in den Himmel wiesen. Für den Kometen ist das nicht von Belang. Er ist ein grosser, dreckiger Schneeball auf seiner Reise durch das Weltall. Gleichmütig zieht er an der Erde vorbei, legt sich mit Anmut in die Kurve und verschwindet wieder in finsterere Tiefen. Und kommt er nächstes Mal in diese Gegend, wird ihm womöglich wieder jemand einen neuen Namen geben. Vielleicht auch nicht. 

Wir bestaunten das stille Spektakel, bis es den Kindern merklich langweilig wurde. Dann luden wir alles wieder ins Auto und fuhren durch die Nacht nach Hause.

2020 hatte unbestritten auch seine Sternstunden. 

Rutschen Sie gut rüber.

31.12.2020 :: Peter Heiniger