Prämie für Corona-Tote: Jeder hat davon gehört, keiner weiss Genaueres

Prämie für Corona-Tote: Jeder hat  davon gehört, keiner weiss Genaueres
Das Gerücht der Prämie für Corona-Tote wird sowohl vom BAG als auch von Institutionen als Fake News bezeichnet. / Bild: Jakob Hofstetter (jhk)
Emmental/Entlebuch: «Für an Corona Verstorbene kassieren Heime und Spitäler eine hohe Prämie», kursiert das Gerücht. Diesen Vorwurf weisen die Institutionen entschieden zurück.

«Von verschiedenen Seiten habe ich gehört, dass, wenn jemand im Altersheim oder Spital stirbt, die Hinterbliebenen gebeten werden, zu bestätigen, dass die Person an Covid-19 gestorben sei», schreibt eine Leserin der «Wochen-Zeitung». Mit dieser Unterschrift der Angehörigen könne eine Prämie von 4000 Franken für das Spital respektive für das Altersheim ausgelöst werden. «Ich finde, wenn das wahr wäre, gehört dies aufgeklärt», schreibt die Leserin. Ihr ist «ein konkreter Fall» aus dem Emmental zu-
getragen worden; diesen leitete sie an die «Wochen-Zeitung» weiter und schreibt dazu: «Wenn es sich um Fake News handelt, gehört es ebenfalls an die Öffentlichkeit, damit solche Aussagen unterbunden werden».

«Das haben wir auch schon gehört»

Auf Umwegen erreichen wir die betroffene Familie. «Von solchen Geschichten haben wir auch schon gehört, in unserem Fall traf dies aber nicht zu», sagt die Angehörige des mit dem «konkreten Fall» gemeinten Verstorbenen. Wie erklärt sie sich dieses Gerücht, das nicht nur im Emmental und Entlebuch immer wieder herumgeboten wird, sondern auch in den sozialen Medien kursiert? Eine Antwort darauf habe sie nicht, sagt die Angehörige. Aber in ihrem Fall habe sie aufgehorcht, als sie nach der Kremation ihres hochbetagten Familienmitglieds erfahren habe, dass dieses nach dem Tod noch getestet worden sei, obwohl es beim Eintritt coronanegativ gewesen sei. «Dieser Test hat uns zwar sehr erstaunt, dass dieser mit einer Prämie zusammenhängen soll, können wir aber nicht glauben.»

Markus Bieri, Heimarzt in der Alters- und Pflegeinstitution Dahlia, ist dieser Fall bekannt. «Es ist die Ausnahme, dass in einem Heim die Verstorbenen getestet werden. Dazu bedarf es eines begründeten Verdachts. «Es gibt Situationen, in denen man als Arzt vielleicht erst bei der sogenannten Leichenschau den Verdacht auf eine Covid-Erkrankung hat.» Beispielsweise, wenn ein hochbetagter Patient in den letzten Lebensstunden sehr hohes Fieber habe, was in diesem Alter ungewöhnlich sei. «Hier stellt sich beim Tod die Frage, ob nicht doch eine Covid-Erkrankung dahinterstehen könnte, die dann verantwortlich für eine Ausbreitung des Coronavirus im Heim wäre.» Bieri nennt ein weiteres Beispiel, bei dem ein Test nach dem Tod angezeigt sein könne: «Wenn ein vorbestehend schwer erkrankter, hochbetagter Patient, der kurz zuvor negativ getestet wurde und bei der Palliativsituation innerhalb weniger Tage an einer rasch verlaufenden Pneumonie stirbt.» 

Wie werden Covid-Tote abgerechnet?

Nun haben wir eine Antwort auf die Frage, weshalb es Sinn machen kann, Verstorbene zu testen. Die Frage, nach der Entstehung dieses Gerüchts, welches in verschiedenen Variationen, aber immer mit derselben Kernaussage herumgereicht wird, bleibt aber unbeantwortet. Hat es vielleicht mit einer besondern Verrechnung von Pflege und Betreuung für Corona-Erkrankte in Heimen und Spitälern zu tun? Dazu Urs Lüthi, Direktor des Dahlia in Langnau: In den Heimen gilt für Covid-Erkrankte derselbe Tarif wie für die andern Bewohner. Allfällige Mehrkosten aufgrund eines grösseren Aufwands tragen die Heime.» Weder Urs Lüthi noch die Standortleiterin des Dahlia Oberfeld, Franziska Furer, wollen vor der Anfrage durch die «Wochen-Zeitung» jemals von diesem Gerücht gehört haben. «Ich bin regelmässig im Kontakt mit Leitungspersonen anderer Heime, mir ist noch nie so etwas zu Ohren gekommen», so der Dahlia-Direktor.

Nicht teurer als andere Krankheiten

Das Spital Emmental kennt ebenfalls keine Prämie für verstorbene Corona-Patientinnen und -Patienten. «Die Verrechnung erfolgt stets nach denselben Kriterien, unabhängig davon, ob ein Spitalaustritt infolge eines Todesfalls, einer Genesung oder einer ambulanten Weiterbehandlung erfolgt», sagt Alexander Krass, ärztlicher Leiter medizinische Codierung/Medizincontrolling im Spital Emmental. Die Codierung zu den Fallpauschalen werde jeweils im November festgelegt und gelte dann für das ganze darauffolgende Jahr. «Im Februar hat die WHO erstmals einen Covid-19-spezifischen Code herausgegeben; weil das System diesen Code fürs Jahr 2020 allerdings noch nicht kennt, dient er den Spitälern lediglich für die Statistik, jedoch nicht für die Verrechnung», informiert Alexander Krass. Eine Änderung gab es in diesem Jahr trotzdem: Ab einem Aufenthalt von sieben oder mehr Tagen auf der normalen Pflegeabteilung kann unter gewissen Voraussetzungen ein Mehraufwand für Covid-Patienten in Rechnung gestellt werden. Auf der Intensivstation gibt es bezüglich der Verrechnung keine Unterscheidung. 

Die Bestatter wissen nicht mehr

Haben vielleicht die Bestatter eine Ahnung, was es mit der Prämie für Corona-Tote auf sich hat? Markus Marti, Bestatter in Aeschau/Eggiwil,  sagt: «Es ist gut, dass Sie dieses Thema aufnehmen. In letzter Zeit bekomme ich immer wieder von dieser angeblichen Prämie zu hören. Die Leute sprechen von Beträgen von 3000 bis 5000 Franken, wissen dann aber nichts Konkretes.» Ähnliches erlebt Markus Stegmann, der zusammen mit seiner Frau Christine ein Bestattungsinstitut in Langnau und in Grosshöchstetten führt: «Ich bin schon mehrmals auf dieses Gerücht angesprochen worden. Aber auf Gerüchte gebe ich nichts.» Noch fehle ihm die Zeit, aber er habe sich fest vorgenommen, sich beim BAG zu erkundigen, ob und was an der Sache dran sei. 

Es gelten einheitliche Tarife

Diese Anfrage ans BAG kann sich Markus Stegmann sparen. Sowohl die anfangs zitierte Leserin als auch die «Wochen-Zeitung» haben bereits dort nachgefragt. 

Grégoire Gogniat von der Medienstelle des BAG bestätigt gegenüber der «Wochen-Zeitung», dass sie immer wieder zu diesem Thema Anfragen erhielten. «Wir empfehlen den Journalistinnen und Journalisten jeweils, sich mit ihren konkreten diesbezüglichen Fragen an die Swiss DRG zu wenden. Die Tarifstruktur für stationäre Behandlungen der Spitäler werde regelmässig von dieser Institution überarbeitet und vom Bundesrat genehmigt. Laut Alexander Krass vom Spital Emmental haben sich alle Spitäler an diese Vorgaben zu halten.

In der Antwort an die Leserin äussert sich das BAG konkreter: «Die Verrechnung einer zusätzlichen Pauschale für Corona-Todesfälle im Spital sind nach dem Kenntnisstand des BAG weder vorgesehen noch wäre eine solche zulässig. Wie Sie richtig vermuten, handelt es sich bei dieser Meldung ganz entschieden um Fake News. Leider konnte das BAG noch nicht in Erfahrung bringen, woher diese ‹Berichte› stammen.»

17.12.2020 :: Jakob Hofstetter (jhk)