Hier wird der Wald der Zukunft wachsen

Hier wird der Wald der Zukunft wachsen
Diese Fläche im Steigrat im Hilferntal gehört zu einem umfassenden Versuch. Ein Sturm hat hier praktisch alle Bäume gefällt, im Frühling werden neue gepflanzt. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Natur: Fichte, Douglasie oder schneeballblättriger Ahorn? Insgesamt 18 Baumarten, deren Samen von verschiedenen Gegenden stammen, werden in einem schweizweiten Versuch während 50 Jahren getestet. Eine der 57 Versuchsflächen liegt im Hilferental.

Fichten, Fichten, Fichten. Im Wald bei der Buhütte dominiert diese Baumart. Vereinzelt findet man eine Weisstanne, grosse Laubbäume sucht man vergebens. Dies wird sich kommenden Frühling ändern. Auf einer rund 1,3 Hektaren messenden Fläche – auf der die bestehenden Bäume durch einen Sturm geworfen wurden – werden zehn Baumarten gepflanzt. «Wir haben Arten ausgewählt, welche gemäss Erfahrungen im In- und Ausland mit den künftigen, hiesigen Bedingungen gut zurecht kommen und gleichzeitig die erwarteten Leistungen erbringen können», sagt Peter Brang, Projektleiter bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Mit «Leistungen» gemeint ist etwa der Holzertrag oder der Schutz vor Naturgefahren – das heisst, es müssen stattliche Bäume wachsen.» Für die Fläche im Hilferental sind diese Baumarten geplant: Weisstanne, Buche, Lärche, Fichte, Douglasie, Traubeneiche, Winterlinde, Schneeballblättriger Ahorn, Nussbaum und Kirschbaum. Warum werden sogar Fichten gepflanzt, die dort extrem häufig vorkommen und wegen Trockenheit und Borkenkäfer zu kämpfen haben? «Bei dem Langzeitversuch werden nicht nur verschiedene Baumarten verglichen, sondern auch gleiche Arten, deren Samen von verschiedenen Orten stammen. Vielleicht kommen Fichten aus wärmeren Gegenden wie Italien oder Frankreich an diesem Teststandort besser zurecht als die einheimischen.»

Gebietsfremde Arten haben oft Nachteile 

Dass an jedem Standort Baumarten von mehreren Samenherkünften gepflanzt werden, erklärt auch, warum insgesamt «nur» 18 Baumarten getestet werden. Nebst den oben genannten sind dies: Bergahorn, Föhre, Spitzahorn, Atlaszeder, Baumhasel, Zerreiche, Stieleiche und Elsbeere. «Wir hatten zu Beginn weit über 50 Arten. Die Auswahl zu treffen war ein langer Prozess», berichtet Peter Brang. «Die Erfahrung hat gezeigt, dass gebietsfremde Arten oft Nachteile mit sich bringen. Von den über hundert forstlichen Baumarten, die im Lauf der Zeit in die Schweiz eingeführt wurden, haben sich nur ganz wenige bewährt; beispielsweise die Douglasie, welche unweit der Versuchsfläche auch zu finden ist.» Wegen Krankheiten nicht berücksichtigt wurden etwa die Edelkastanie und die Esche; die Akazie ihrerseits ist ausgeschieden, weil die Gefahr besteht, dass sich diese invasiv verbreitet. «Daher haben wir bei den gebietsfremden Baumarten solche ausgewählt, welche in wärmeren und trockeneren Gegenden bereits vorkommen», begründet der Projektleiter. «Der Schneeballblättrige Ahorn zum Beispiel kommt in den Gebirgen des westlichen Mittelmeerraumes wie auch im Jura vor.» 

Fixe Anordnung der Bäumchen

Pro Baumarten werden auf jedem Versuchsstandort drei Quadrate à zwölf mal zwölf Meter bepflanzt. Die Setzlinge in jedem Quadrat stammen aus vier verschiedenen Baumschulen. So kann verglichen werden, wie sich die Bäumchen aus den verschiedenen Gegenden entwickeln. Um die Versuchsanlage wird ein Randstreifen angelegt, das heisst, dass dort wie auch auf der Fläche selber sämtliche Bäume vorgängig gefällt wurden. «Im Randstreifen lässt man der Naturverjüngung freien Lauf. Im Versuchsfeld, welches eingezäunt ist, wird der Bewuchs hingegen kurzgehalten», erklärt Brang.  

Von 250 bis 1860 Meter über Meer

Dem Forscherteam der WSL wurden von den 20 Kantonen, welche sich bei dem Projekt engagieren, insgesamt 170 geeignete Flächen gemeldet; 57 werden nun für den Versuch berücksichtigt. Erste Bepflanzungen sind diesen Herbst erfolgt, andere – etwa im Steigrat – werden im Frühling folgen. Das Waldstück im Hilferental liegt auf einer Höhe von 1330 Metern über Meer und ist nordöstlich ausgerichtet; damit gehört es zu den montanen Standorten. Insgesamt reichen die Testflächen von 250 Meter über Meer im Tessin bis 1860 Meter über Meer im Wallis. Nebst dem Wachstum der Bäumchen – zunächst vor allem die Höhe, später auch der Stammdurchmesser – werden die Forscher laufend klimatische Bedingungen wie die Temperatur, Niederschläge oder Bodenfeuchtigkeit aufzeichnen. «Dadurch kann man nachvollziehen, wie sich beispielsweise ein später Frost oder eine lange, trockene Phase auf die Bäume auswirken», erklärt der Projektleiter. «Auch die Folgen von Unwettern wie Hagelschlag werden festgehalten.»

«Wir erhoffen uns von dem Projekt viel», hält Peter Brang fest. «Wir werden nach -einiger Zeit klar bestimmen können, mit welchen Bedingungen die verschiedenen Baumarten und Samenherkünfte zurechtkommen oder eben nicht.» Im Hinblick auf den fortschreitenden Klimawandel seien diese Daten sehr nützlich. «Wenn man weiss, welche Baumart sich für welches Klima eignet, kann man den Wald der Zukunft viel besser planen. Man kann ja die klimatischen Bedingungen ein Stück weit vorausberechnen und dann die Baumarten entsprechend auswählen», sagt der Projektleiter. 

Glaubt Peter Brang, dass der Wald der Zukunft viel anders aussehen wird? «Ich denke, dass beispielsweise im Entlebuch oder Emmental auch in hundert Jahren Fichte, Buche und Tanne die häufigsten Baumarten sein werden», sagt Peter Brang. «Aber der Anteil anderer, klimaresistenter Arten wird sicher zunehmen.» Werden diese «neuen» Baumarten aktiv in den Wäldern gepflanzt werden müssen? «In den Bergwäldern ist die Tradition des Pflanzens nicht weit verbreitet», weiss Peter Brang. «Vielleicht reicht es aber aus, nur vereinzelt solche klimatolerante Bäume zu pflanzen, welche dann später ihre Samen selbst verbreiten.»  Auch auf diese Frage, soll der umfangreiche Versuch Antworten liefern.

10.12.2020 :: Bruno Zürcher (zue)