Pling, pling, pling – News

Dank meines Handys bin ich gut informiert. Es gibt keine News-App, die ich nicht installiert habe, und alle paar Minuten kommt ein «Pling» für eine neue Push-up-Meldung. Kein Kanton oder europäisches Land bleibt unbeobachtet, denn Wissen ist Macht. Jederzeit bin ich in der Lage, mich an aktuellen Diskussionen zu beteiligen und dank der Vielzahl meiner Apps weiss ich oft noch mehr. Es reicht nicht, sich nur die News reinzuziehen, nein, auch alle Social Media-Kanäle beobachte ich sorgfältig, damit mir wirklich nichts durch die Lappen geht. Darum weiss ich beispielsweise auch, dass das erste Terminal des neuen Berliner Flughafens am Ende des Monats eingeweiht wird. Das ist eindeutig englischer Humor. Denn nach dem Spatenstich 2006 und 14 Jahren Bauzeit mit explodierenden Kosten und etlichen Katastrophen wird er während einer Pandemie eröffnet. Eigentlich soll man laut Schutzkonzept zu Hause bleiben. Das verdeutlichen ja die stündlich steigenden Corona-Zahlen, während auf der anderen Seite des grossen Teichs sich Trump und Biden verbal die Köpfe einschlagen und ich lese, dass die SCL Tigers wieder vor leeren Zuschauerrängen spielen müssen. Generell ist mir der Berliner Flughafen egal, aber die lustigen Sprüche, die im Netz auftauchen, sind hervorragendes «Gesprächs-Futter» für den Stammtisch. Darum geht es doch bei all den News und Apps, ich kann mitreden und Anekdoten erzählen. Ich lese überall News, auch auf dem stillen Örtchen, und als ich gestern mein Handy nur kurz in die Hosentasche steckte, um mit dem Toilettenpapier, na Sie wissen schon, da war dann Schluss mit lustig und «Pling». Klar habe ich das i-Phone nicht in der Schüssel zurückgelassen, sondern herausgefischt, gereinigt und zum Trocknen ausgelegt. Es war wie ein Entzug, eine Art von «Cold Turkey». Keine Geräusche, nichts, was mir meine Zeit wegfrisst oder mich zum Nachdenken zwingt. Nichts, nur Stille. Beim Znüni drehte ich fast durch. Erst das knisternde Geräusch von Papier liess mich aufhorchen. Es klang eindeutig danach, als ob jemand in einer Zeitung blättert und News lesen würde. Und das mitten in dieser Zeit der digitalen Transformation, in der doch alle nur noch auf Handys oder Tablets starren – so wie ich. Ich schaute zu meinem Kollegen in der anderen Ecke des Raums. Er verpackte mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein Geschenk in die Schlagzeilen des Tages. Vielleicht ist Wissen Macht. Aber manchmal macht es nichts, nicht alles zu wissen. Vor allem in Zeiten wie diesen, wo einige alles besser wissen.

29.10.2020 :: Martina Jud