«Im Emmental gibt es noch einiges zu entdecken»

«Im Emmental gibt es noch einiges zu entdecken»
Per Zufall fand ein Bauer vor rund hundert Jahren beim Pflügen diese Steinaxt. Sie ist 6000 bis 7000 Jahre alt. / Bild: zvg
Emmental: Archäologie ist keine verstaubte Sache. Das will der Archäologische Dienst mit einer Ausstellung zu seinem 50-jährigen Bestehen zeigen – und liefert neue Erkenntnisse.

Archäologie – die Lehre der Altertümer – wird im Kanton Bern seit Jahrhunderten betrieben. Lange Zeit kümmerte sich das Historische Museum um archäologische Stücke und inventarisierte die Fundorte. Im Zuge des Autobahnbaus in den Sechzigerjahren und auf Druck des Bundesrates wurde 1970 der kantonale Archäologische Dienst geschaffen. 

Zum 50-Jahr-Jubiläum hat dieser eine Wanderausstellung konzipiert (siehe Kasten). Adriano Boschetti ist seit fünf Jahre Leiter des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern.


Herr Boschetti, gehen Sie mit der Ausstellung auf Tour, damit die Bevölkerung vom Archäologischen Dienst mehr Notiz nimmt?

Viele denken bei Archäologie an Orte wie Avenches, wo die Römer gut sichtbare Spuren hinterlassen haben. Wir wollen zeigen, dass es überall überraschende Entdeckungen und wertvolle Kulturgüter gibt. Dann wollen wir natürlich auch darauf hinweisen, dass sehr schnell viel Wissen verloren gehen kann, wenn man es nicht schützt. 


Das Emmental weist, schaut man den ganzen Kanton an, auffällig wenige archäologische Fundstellen auf. 

Das heisst aber nicht, dass es hier nicht viel zu entdecken gibt. Aber es ist schon so, dass im Emmental vergleichsweise wenig aufgenommen wurde. Das hängt auch mit Bautätigkeiten zusammen: Im Mittelland beispielsweise konnten mit dem Bau der Bahn-2000 viele Fundstellen inventarisiert werden; oder im Oberland im Zuge von Bergbahnprojekten und im Jura mit der Autobahn Transjurane. Im Emmental gab es keine solchen Projekte. Hinzu kommt, dass im Emmental viele Fundstellen aufgrund der Topografie tief verborgen liegen. 


Demnach ist die Lehrmeinung falsch, wonach das Emmental beispielsweise in der römischen Epoche kaum
besiedelt war. 

In den Anfängen der archäologischen Forschung ist der Eindruck entstanden, dass die Römer nur im Mittelland gelebt haben. Das lag auch daran, dass viele Forscher aus Städten des Mittellandes stammten und vor allem in ihrer Umgebung suchten – und auch fündig wurden. Heute wissen wir, dass beispielsweise das Emmental schon viel früher besiedelt worden war. 


Wie kamen Sie zu dieser Erkenntnis? 

In den letzten Jahren hat die Uni Bern durch Pollenuntersuchungen neue Erkenntnisse gewonnen. Das funktioniert grob so, dass man den Blütenstaub, der sich jedes Jahr ablagert, untersuchen kann und daraus ableitet, wie die Vegetation ausgesehen hat. Man hat herausgefunden, dass beispielsweise im Raum Langnau bereits in der Jungsteinzeit, also ab 5000 Jahren vor Christus, Menschen gelebt haben und unter anderem Getreide angebaut haben. 


Wo liessen sich die Menschen nieder?

Im Emmental vor allem auf den Anhöhen. Das zeigen auch viele Wege, welche zum Teil schon sehr früh entstanden sind. 


Ab und zu tauchen per Zufall Zeugen früheren Lebens auf. Möchten Sie mehr Hinweise aus der Bevölkerung?

Rund einen Drittel der Funde können wir dank Hinweisen aus der Bevölkerung archivieren. Sie helfen, das Fundstelleninventar laufend zu ergänzen. Ein tolles Beispiel ist die Steinaxt aus dem Oberfrittenbach, welche 4000 bis 5000 Jahre vor Christus entstanden ist. Das zeigt ja auch, dass das Interesse der Bevölkerung an der Archäologie gross ist.  


Viele Bauherren und Landwirte scheuen sich, Funde zu melden, weil sie Verzögerungen und Einschränkungen befürchten. 

Wir haben kein Interesse an Verzögerungen und können diese in den allermeisten Fällen verhindern. Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens erkennen wir dank unserem Inventar, ob ein Bau bei einer bekannten Fundstelle geplant ist. Meist graben wir, bevor die eigentlichen Bautätigkeiten beginnen. Wir graben generell nur, wenn die Gefahr besteht, dass Stücke sonst für immer verloren sind. Bisweilen dauern diese Arbeiten wenige Tage. Wenn ein Landwirt etwa in einem Acker ein Stück findet, hat er bezüglich der Bewirtschaftung nichts zu befürchten. 


Möchten Sie nicht viel mehr Ausgrabungen durchführen?

Neugierig sind wir immer! Aber auch die Rettungsgrabungen sind spannend. Bei der Sanierung des Schloss Burgdorf stellten wir uns auf mittelalterliche Spuren ein und fanden solche aus der Zeit der Pfahlbauer – wer hätte das gedacht!

Ausstellung «Archäologie macht Geschichte»

Vom 3. bis 23. Oktober macht die Wanderausstellung des kantonalen Archäologischen Dienstes auf dem Viehmarktplatz in Langnau Halt. Die betreute Ausstellung besteht aus zwei Containern. «Im Zentrum stehen Fundstücke aus verschiedenen Epochen. Wir haben aus acht Regionen des Kantons je drei Stücke ausgewählt, welche nun in der Wanderausstellung bestaunt werden können», erklärt Adriano Boschetti, Leiter des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern.

Die Ausstellung ist jeweils geöffnet von Mittwoch bis Samstag, 11.00 bis 18.00 Uhr (Donnerstag bis 19.00 Uhr).

24.09.2020 :: Bruno Zürcher (zue)