Wo seit 50 Jahren Königinnen gezüchtet werden

Wo seit 50 Jahren Königinnen gezüchtet werden
Nach ungefähr zwei Wochen prüft Heinrich Leuenberger, ob die junge Königin gelegt hat. / Bild: Sandra Joder (sjw)
Wasen: In der Belegstation im Riedbad werden Napfbienen gezüchtet. Das braucht viel Fachwissen und Zeit. Heinrich Leuenberger, der die Zuchtstation leitet, verfügt über beides.

Es summt und brummt rund um die Bienen-Belegstation im Riedbad weit hinter dem Dorf Wasen. Blaue und braune ziegelsteinartige Kästen sind am steilen Hang auf Pfosten montiert. Hier wohnt jeweils für zwei Wochen ein kleines Bienenvolk. Mit der jungen Königin und einem Joghurtbecher voller Arbeiterbienen soll einst ein grosses Napfbienenvolk werden. Zwei Wochen hat die junge Königin Zeit, sich zu verpaaren, um anschliessend während der nächsten drei bis vier Jahre befruchtete Eier zu legen. Wichtig dabei: Sie sollte sich nur mit Drohnen der eigenen Rasse verpaaren, denn bereits die nächste Generation würde sonst an Sanftmütigkeit einbüssen. 

Das Ziel ist die Reinzucht

Das Unterfangen ist nicht ganz einfach: Schliesslich ist es der Bienenkönigin egal, welcher Unterart das Männchen angehört. Nicht aber Heinrich Leuenberger, der die Belegstation im Riedbad leitet: Sein Ziel ist die Reinzucht. Das gelinge zu 95 Prozent, sagt der Bienenkenner. Das hügelige und eher raue Gebiet böte dazu die besten Voraussetzungen. Apis mellifera mellifera heisst sie, die dunkle Landrasse, um die sich bei den Trachselwalder Bienenfreunden alles dreht. Seit 50 Jahren betreibt der Verein diese Zuchtstation im Riedbad. Dass diese Bienenrasse eher zum Stechen neige, lässt Heinrich Leuenberger nicht gelten. Ohne Schleier, mit ruhiger Hand und der Pfeife im Mund hebt er die Waben aus den Kästen, beurteilt die Völker und sucht nach den Königinnen.

Im Internet erhältlich

200 bis 300 Apidea-Kästchen werden pro Saison von Bienenhaltern zu Heinrich Leuenberger gebracht. Früher seien es bis zu fünfmal mehr gewesen, sagt er. Die Zahl der Bienenvölker habe zwar nicht abgenommen, diejenige der Züchter schon. Wer eine junge Königin kaufen möchte, muss heute auch nicht extra in den Hornbach oder nach Innertkirchen reisen: Im Internet werden die filigranen Tiere zum Kauf angeboten und per Post verschickt.

Mit zu den guten Voraussetzungen für die Bienen-Reinzucht gehört, dass genügend männliche Bienen, sogenannte Drohnen, auf die Königinnen warten. Hierzu werden grössere Bienenvölker mit speziellen Waben bestückt. Darin werden von den Bienen mehr Drohnen als üblich herangezogen und gepflegt. Die männlichen Bienen schlüpfen aus unbefruchteten Eiern. In ihrem kurzen Leben dreht sich alles um die Befruchtung.

Auf dem Hochzeitsflug

Die sieben Tage alte Königin begibt sich auf ihrem Hochzeitsflug zum zwei Kilometer entfernten Drohnensammelplatz über der Badschwendi. Die Drohnen warten schon in grosser Zahl. Rund 20 von ihnen gelingt es, die Königin in der Luft zu begatten. Sie alle ereilt danach das gleiche Schicksal: Unmittelbar nach der Befruchtung sterben sie. Die Königin trägt nun das Sperma verschiedener Drohnen in sich. Das reicht aus für ein ganzes Bienenköniginnenleben. Einen weiteren Hochzeitsflug gibt es nicht. In Mini-Plus-Magazinen überprüft Heinrich Leuenberger die Nachkommen der jungen Königin auf die definierten Zuchtziele. Die Napfbiene soll gesund, leistungsfähig, sanftmütig und mit einem guten Putztrieb versehen sein. Nur Königinnen von Völkern, die diese Eigenschaften aufweisen, werden zur Zucht weiterverwendet.

Seit der dritten Klasse sei er ein angefressener Bienenhalter und -züchter, sagt Heinrich Leuenberger von sich. Während Jahren war der gelernte Werkzeugmacher als Amtsinspektor und in verschiedenen Verbandsfunktionen tätig. Mittlerweile ist Heinrich Leuenberger pensioniert und kann nun noch mehr Stunden seinem zeitaufwändigen Hobby widmen.

Drei Unterarten der Honigbiene in der Schweiz

Honigbienen, wie die Biene Maja, sind auf den ersten Blick zu erkennen. Geht es darum, sie in ihre Unterarten aufzuteilen, wird es bereits schwieriger. Von der Apis mellifera, wie der wissenschaftliche Name der Honigbiene lautet, werden hierzulande vor allem drei Unterarten gezüchtet. Zwei unterscheiden sich optisch: Die dunkelbraune Mellifera und die grauhaarige Carnina sind natürlich entstandene Rassen. Eine Zucht-kreuzung aus England ist die Buckfast-Biene. Als in England die Bienen um das Jahr 1913 wegen Milben auszusterben drohten, sammelte ein Mönch bestes Zuchtmaterial auf der ganzen Welt. Durch oftmalige Verpaarung entstand eine Hybrid-Rasse mit einem ausgezeichneten Suchtrieb. Jede Unterart bringt ihre Vor- und Nachteile mit sich. Sie haben sich je nach Region den klimatischen und ökologischen Bedingungen angepasst oder wurden zu einem speziellen Zweck gezüchtet. 

Damit die Bienen ihre positiven Eigenschaften behalten und nicht verwildern, ist reinrassige Zucht gefragt. Dies gelingt jedoch oft nur in speziellen Belegstationen (siehe Haupttext).

06.08.2020 :: Sandra Joder (sjw)