«Die Alpenschweine sind schon etwas lebhafter als normale Schweine»

«Die Alpenschweine sind schon etwas lebhafter als normale Schweine»
Auf dem Hof Stächelmoos werden seltene Alpenschweine gehalten, welche auch hierzulande einst verbreitet waren. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Emmental/Entlebuch: Alte Nutztierrassen – die im ganzen Alpenraum verbreitet waren – zu erhalten: So lautet das Ziel des neu gegründeten Vereins «Patrimont Schweiz».

Den ganzen Sommer verbringen die Alpenschweine auf dem Hof Stächelmoos draussen. Bauer Patrick Stalder hat den Schweinen etwas abseits des Bauernhauses ihr Reich eingerichtet. Um eine steile Hecke und eine ebene Stelle darunter hat er einen Zaun gebaut. Im Schutz einer kleinen Fluh steht der hölzerne Stall. Während die Sauen Daisy und Pepa sowie Eber Jamie sofort angerannt kommen, als sie Patrick Stalder bemerken, ziehen es die 14 Ferkel vor, im Stall gemütlich zu dösen. Aber vielleicht ist draussen doch etwas Spannendes? Kurze Zeit später tollt draussen eine Schar kleiner Schweinchen herum. «Sie sind schon ein bisschen lebhafter als normale Schweine», meint Patrick Stalder, welcher früher auch Sauen der Rasse Edelschwein, aber auch Wollschweine gehalten hat. 

Keine intensive Mast möglich 

«Ich finde es wichtig, dass die genetischen Ressourcen alter Rassen erhalten bleiben», begründet der Biobauer sein Engagement. Auf die seltenen Alpenschweine aufmerksam wurde er durch einen Aufruf der Organisation Pro Patrimonio Montano, welche interessierte Halter für diese seltene Rasse gesucht hat. «Warum nicht?», habe er sich gesagt. Die Tiere wurden aus dem Norden Italiens eingeführt, weilten während einiger Zeit im Tierpark Goldau in Quarantäne und kamen dann 2018 auf den Hof Stächelmoos, ganz hinten im Hilferntal. Zwei männliche Schweine hat der Landwirt mittlerweile schlachten lassen. «Das Fleisch ist sehr saftig, aber es hat auch mehr Fett als dasjenige des Edelschweins», erklärt Patrick Stalder. «Und dann ist es natürlich so, dass die Fleischstücke viel kleiner sind als bei einem hochgezüchteten Edelschwein – dies, obwohl die Alpenschweine rund doppelt so lange gemästet werden.» Man dürfe sie nicht zu intensiv füttern, sonst verfetteten sie», erklärt der Landwirt. So erhalten die Tiere nur wenig Kraftfutter. Zudem fressen sie Gras und suchen im Erdreich nach Nahrung. Die ebeneren Stellen ihres Reiches haben die Schweine bereits gänzlich umgepflügt. «Was für uns nach Morast aussieht, ist für die Schweine wichtig. Sie müssen suhlen können, um ihre Haut zu schützen», erklärt Stalder. Die 14 Ferkel, welche die beiden Muttersauen geboren haben, sehen unterschiedlich aus. Die meisten sind schwarz, es hat aber auch weisse mit schwarzen Punkten. Die unterschiedliche Färbung rührt von den verschiedenen Schlägen her, welche für die Erhaltungszucht verwendet werden. Die weiblichen Schweinchen werden voraussichtlich für die Zucht eingesetzt werden. «Die Eber hingegen würden sich dafür nicht eignen», erklärt der Landwirt. «Der Verein Patrimont führt ein Zuchtbuch und es wird darauf geachtet, dass Inzucht möglichst vermieden wird, was bei einer kleinen Population natürlich anspruchsvoll ist.» So kommt es, dass Patrick Stalder oft weit reisen muss, um Tiere zu überbringen und zu holen. «Aber das gibt auch immer wieder interessante Begegnungen», sagt der Landwirt.

Das tierische Erbe des Berggebiets erhalten

Die internationale Organisation «Pro Patrimonio Montano» – «Für das Erbe der Berge» – hat kürzlich die Regionalgruppe «Patrimont Schweiz» gegründet. Ulrich Egli aus Oberburg ist Aktuar des Vereins. «Das alpine Netzwerk setzt sich in erster Linie dafür ein, grenzüberschreitende Rassen des Alpenraums zu erhalten», berichtet Egli. Eines der Schlüsselprojekte ist die Erhaltung des schwarzen und gescheckten Alpenschweins. Bis auf wenige Relikte in Italien ausgestorben, hat die Organisation die letzten Tiere zusammengeführt und verteilt über den Alpenraum eine neue Zuchtpopulation aufgebaut. «Aktuell gibt es in den Schweizer Alpen 14 Züchter», erklärt Egli, welcher selber keine Schweine hält. Er und seine Frau Ursula haben sich einem anderen Tier angenommen, das durch «Patrimont Schweiz» gefördert wird: dem Tirolerhuhn. Es ist vor 100 Jahren ausgestorben und nun aus verschiedenen Appenzeller Spitzhauben-Schlägen mit Tieren der heute seltenen Polverara-Hühner rückgezüchtet worden. «Sie legen natürlich nicht so viele Eier wie Legehennen, sehen dafür äusserst hübsch aus», meint Egli. Weiter wird in der Schweiz wieder die sehr seltene voralpine Landgans gezüchtet. Die weiteren geförderten Rassen: Buischa-Grauvieh und Ciuta-Schaf. «Es ist gut denkbar, dass weitere Rassen, oder später auch Pflanzen, welche über den ganzen Alpenraum vorkommen, aufgenommen werden», erklärt der Aktuar von
«Patrimont Schweiz». Diesbezüglich müsse auch die Zusammenarbeit mit der Organisation Pro Specie Rara genau definiert werden. Dazu hätten erste Gespräche stattgefunden.

23.07.2020 :: Bruno Zürcher (zue)