Heisse Küsse und etliche Neckereien – und das alles auf Distanz

Heisse Küsse und etliche Neckereien – und das alles auf Distanz
Wer mit wem? Das ist die grosse Frage bei der Inszenierung des Freilichttheaters Moosegg. / Bild: Christina Burghagen (cbs)
Moosegg: Besondere Zeiten treiben auch schlüpfrig-schöne Blüten. Das beweist das Freilichttheater Moosegg derzeit mit seiner Inszenierung «Mittsommernachts-Sexkomödie».

Die in den letzten Monaten sehnsüchtig aufgestaute Theaterlust wird auf der Moosegg mehr als befriedigt. Zum einen, weil die vielschichtige Komödie einfach Spass macht. Zum anderen, weil es im Bühnen-Puppenhaus ganz schön zur Sache geht. Acht Schauspielerinnen und Schauspieler toben sich hier ganz ohne Berührung aus. Als BAG-Beamter Herr Zaugg und als Erzähler fungiert Regisseur Simon Burkhalter selbst und liefert aus seiner Büroparzelle amtsschimmelige wie amüsante Einwürfe. Unter ihm hat Geräusche-Maestro Jorge Bigler seine Kemenate bezogen, aus der es rappelt, raschelt und rumst. Der Zuschauerraum wurde mit 120 Gartenstühlen auf Podesten bestückt, mit Abstand in Zweier- oder Dreiergruppen. 

Wilde Geständnisse, witzige Dialoge

Anna (Danièle Themis) und Thomas (Michael Schoch) verbringen den Sommer in ihrem Chalet und haben zwei Pärchen eingeladen. Bald tauchen Krankenschwester Doris (Ale-
xandra Siegenthaler) und ihr Lover Max (Roman Weber) auf. Die aufgeschlossene junge Dame schaut verträumt auf einen Schaukelstuhl und lässt die Gastgeber wissen, dass sie auf solch einem Stuhl entjungfert worden sei: «Alles eine Frage des Gleichgewichts», verkündet sie fröhlich. Ganz so locker gehen die Gastgeber Anna und Thomas nicht mit dem Thema Sex um, denn im Bett läuft nichts mehr. 

Als zweites Paar treffen der Philosophieprofessor Leopold (Michael Enzler) und seine deutlich jüngere Verlobte Afra (Flurina Ruoss) ein. Er nennt sie Katzenzüngli oder Honigschnittli, sie träumt von Sicherheit, Kindern und einer Doppelgarage. Doch Thomas kennt Afra von früher, Max hat seine Schlemmeraugen ebenfalls auf die Professorengattin in spe geworfen. Der Professor wiederum lechzt heimlich nach Doris. Nach einem feuchten Traum gesteht er der Angebeteten seine wilden Fantasien und mutiert animalisch zuckend vom akademischen Klugscheisser zum keulenschwingenden Neandertaler.

Distanz-Theater zum Anfassen

Anna bearbeitet zur Freude des Publikums mit dem Sparschäler eine Möhre, als ob es das beste Stück von Thomas wäre. Ihr schwant, dass es zwischen Thomas und Afra knistert. 

Jede Menge Zündstoff also, vortrefflich untermalt vom Maestro mit mannigfaltigen Geräuschen wie Enten, Blätterrauschen, Abstürzen oder Wasserplätschern. Verrückt, wie dieses Abstandstheater gleichzeitig als Komödie zum Anfassen rüberkommt. Mit Distanz und oft ohne Blickkontakt einen Liebesakt, heisse Küsse, Ohrfeige oder Neckereien darzustellen, ist eine schauspielerische Leistung, die intensiv aufs Publikum wirkt. Denn, wer zuschaut, muss das Dargestellte durch das eigene Kopfkino anreichern.

War Corona hier ein Glücksfall? Für die aus dem Boden gestampfte Inszenierung von «Eine Mittsommernachts-Sexkomödie» in der Mundartfassung von Simon Burkhalter und Domenico Blass darf man das wohl sagen. Die notgedrungen abgesagten Stücke «Katharina Knie» und «Frau Luna» folgen – so Corona will – im nächsten Jahr. Der Plan B des künstlerischen Leiters Simon Burkhalter geht auf. Hie und da wurden während der Vorstellung Frauen gesichtet, die ihren Partnern den Ellenbogen in die Rippen rammten. Fazit: Gut gesessen, viel gelacht, trocken geschluckt – alles da, was einen gelungenen Theaterabend ausmachen sollte.

09.07.2020 :: Christina Burghagen (cbs)