Hrrm’hm

Hhrm’hm, hrrm’hrmhm. Verzeihung. Hrrh’rrumhm. Hrrm’hmm. Hach, ist das schön. Langsam traue ich mich wieder, mich zu räuspern. Ich gestatte mir sogar ab und an ein Hüsteln. In letzter Zeit habe ich mich ja nur geräuspert, wenn es mir irgendwo zu eng wurde. Im öffentlichen Verkehr, oder im Lebensmittelgeschäft. Einmal kurz räuspern, schon hat man Platz.

In Gesellschaft zu husten hingegen habe ich mich seit Wochen nicht mehr getraut. Wir wissen: Ein Hüsteln allein muss noch kein Corona sein – könnte aber... Die Befürchtung, aufgrund eines Hustens wie ein Aussätziger gemieden zu werden, bewog mich bereits im März, vermehrt Halspastillen zu lutschen, damit mein Rachen schön geschmeidig bleibe und ja kein Kratzen sich bemerkbar mache. 

So auch an einem Sonntagabend, als ich ein Konzert in der Langnauer Kirche besuchte. Anfang März gab es so was noch, erinnern Sie sich? Mit gebührendem Abstand zu all den
potenziellen Seuchenträgern – pardon, Konzertbesuchern – setzte ich mich in die hinterste Bank, lauschte den Gesängen und lutschte eifrig
Fisherman’s Friend. Kurz nach der Pause, der Chor stimmte gerade ein besinnliches Lied an, rutschte mir meine mittlerweile dritte Lutschpastille aus Versehen Richtung Rachen, wo sie am Halszäpfchen kleben blieb. Da ich böse Blicke oder gar Schlimmeres fürchtete, traute ich mich nicht, dem schier überwältigenden Hustenreiz nachzugeben. Die Folge: Atemnot und kalter Schweiss. So diskret wie möglich flüchtete ich hinaus in den Vorraum, um mir dort Linderung zu verschaffen. Doch die Langnauer Kirchentüre ist nicht schalldicht, ich konnte den Chor noch hören. Folglich hätte man mich drinnen auch
hören können. Was tun? Dem Ersticken nahe stolperte ich die Treppe hinunter zu den Sanitärräumen. In der Herrentoilette stürzte ich mich in eine der Kabinen und warf die Türe hinter mir zu. Erst da hustete ich. Und wie ich hustete. Ich keuchte, ich bellte, ich röhrte wie ein Hirsch. Alles brav in die Armbeuge, versteht sich. Es war befreiend, regelrecht läuternd. Danach wusch ich vorbildlich meine Hände inklusive Daumen und Fingerzwischenräumen, stieg die Sandsteinstufen wieder hoch, betrat das Kirchenschiff und genoss den Rest des Konzerts.

Ausser meinem eigenen hörte ich an jenem Abend kein einziges Husten. Eine kulturelle Veranstaltung mit über hundert scheinbar kerngesunden Besuchern. Niemand, wirklich
niemand hustete zwischen den Darbietungen. Nicht das leiseste Hüsteln. 

Dabei gehört das doch dazu.

Selbstverständliches wird unversehens rar.

18.06.2020 :: Peter Heiniger