«Es war wie eine Achterbahnfahrt»

«Es war wie eine Achterbahnfahrt»
Bild: zvg
Snowboardcross: Die 19-jährige Schangnauerin Sina Siegen­thaler fuhr diese Saison auf den achten Platz des Gesamtweltcups. Die Saison verlief schon vor dem Coronavirus ziemlich turbulent.

Sina Siegenthaler, Sie erreichten in einer sehr turbulenten Saison den achten Rang des Gesamtweltcups – herzliche Gratulation! Am 13. März ging in Veysonnaz die Saison abrupt zu Ende. Wie geht es Ihnen damit?

Im Grossen und Ganzen bin ich mit der Saison zufrieden. Ich habe mich persönlich stark entwickelt und habe auf dem Snowboard grosse Fortschritte gemacht. Dazu gehört, dass ich eines der wichtigsten Elemente im Cross, die Startsektion, mit unzähligen Stunden Arbeit um ein Vielfaches verbessern konnte und auch, dass ich jeweils weniger Zeit brauchte, um mich an einen neuen Kurs zu gewöhnen. 


Diese Saison hatten Sie ja im Allgemeinen nicht viel Zeit, um sich an eine Konstante zu gewöhnen, sei es wegen zu wenig Schnee oder wegen gesundheitlichen Problemen.

Die Saison selber war sehr kurz und wir hatten wenig Wettkämpfe. Aus diesen wenigen Rennen schliesse ich jedoch, dass ich fahrtechnisch und mental besser und konstanter geworden bin. Es war wie eine Achterbahnfahrt. Ich hatte bei vielen Wettkämpfen mit einer schwierigen Vorbereitungsphase zu kämpfen – so lag ich beispielsweise mit einer Grippe im Bett und hatte mit einem Infekt zu tun. Auch war der Trainingstag von Stürzen geprägt oder niemand wusste zwölf Stunden vorher, ob der Wettkampf überhaupt stattfindet. Ich brachte es jedoch immer irgendwie zu Stande, am Wettkampftag fit zu sein. Und daraus konnte ich viel lernen. 


Zwei Ziele, die Sie sich gesteckt hatten für dieses Jahr, konnten Sie nicht erreichen: die Verteidigung Ihres Schweizermeistertitels sowie eine Medaille an der Junioren-Weltmeisterschaft. Beide Anlässe wurden Corona-
bedingt abgesagt. Wie gross ist Ihre Enttäuschung darüber?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht extrem enttäuscht war. Gerade die JWM wollte ich als weiteres Sprungbrett nutzen, die Team-Silbermedaille von letztem Jahr reichte mir nicht. Bereits im Frühling war klar: im Weltcup sammle ich weitere Erfahrungen und will konstant meine Leistung abrufen. An der JWM hingegen will ich meine volle Leistung am Tag X bringen. Mittlerweile ist mir jedoch bewusst, dass diese Veranstaltung kaum der Rede Wert ist, wenn man die ganze Corona-Krise betrachtet. Ich habe mir nun zum Ziel gesetzt, dass ich mir die Medaille dafür erst recht an einer Elite-Weltmeisterschaft holen werde.


Für Sie war es nun das zweite Jahr
im Weltcup, das erste Jahr offiziell im A-Kader. Wie war das?

…dazu kam noch, dass ich im Sommer meine Ausbildung abschloss. Somit hatte ich schlagartig viel mehr Möglichkeiten zu trainieren und kam bereits Anfang Dezember auf mehr Schneetage, als noch letztes Jahr bis im März. Ich fühle mich im A-Kader wohl, auch mit dem Team.


Nun aber konnten Sie nicht nahtlos mit Ihren Teamkollegen zusammen weitertrainieren. Wie geht der Trainingsalltag für Sie weiter?

Weil ich mitten in den Bergen wohne, kann ich mich ohne Kontakt zu anderen Leuten draussen bewegen. Ich bin viel am Wandern und Radfahren, mache Work-outs mit Therabändern, TRX, Kurzhanteln und dem Eigen-gewicht und habe vor, einen Skate-boardpark im Garten zu bauen. Ich denke, dass dies dem Aufbau nicht gross schadet und ich auf die Saison hin meine Off-Snow-Ziele erreichen kann. Sollte es möglich sein, rücke ich Ende April für den zweiten Teil der Spitzensport-RS in Magglingen ein und werde dort unter besten Bedingungen und den Augen meines Athletiktrainers trainieren. Und, sollte es die unberechenbare Corona-Situation zulassen, kehre ich so schnell wie möglich auf die Piste zurück. Vorerst aber bleibe ich zu Hause. Nebst meinem Training habe ich noch vieles zu erledigen, das ich während der ganzen Saison hinausschieben musste. 


Obwohl die Saison wetterbedingt nicht ganz planmässig verlief, kamen Sie doch ziemlich um die Welt. Was hat Ihnen am besten gefallen?

Kanada war ein Riesenerlebnis! Allerdings diese unmenschlich tiefen Temperaturen… Seither definiere ich das Wort «Kälte» neu. Die Landschaft, die Weite und das Zusammenleben der Menschen war dafür wunderschön. Das möchte ich auf jeden Fall noch einmal erleben.

Aber auch Finnland war grandios. Kleines Geheimnis: dies war als Kind das Land meiner Träume, ich wollte einmal dorthin auswandern und war sogar dabei, die Sprache zu lernen. Aber erst im letzten November schaffte ich es zum ersten Mal dorthin. Umsomehr genoss ich jede Sekunde. Dass es um diese Jahreszeit fast immer dunkel ist, störte mich kaum. Ich rüstete mich mit Vitamin D aus und die Trainingsbedingungen waren super.


Gibt es aber auch Negatives zu berichten?

Gerade hier in Europa fällt auf, dass die Gletscher Jahr für Jahr weiter zurückweichen und Gletscher--Skigebiete nicht mehr das ganze Jahr in Betrieb sind. Da mache ich mir schon Gedanken, wie es unserer Welt in ein paar Jahren gehen wird und ob Wintersportarten überhaupt noch ein Thema sein werden. Mir ist bewusst, dass ich bereits mit einfachen Gesten viel dazu beitragen kann, die Klimaerwärmung zu bremsen. Und ich sehe auch, dass langsam ein Umdenken stattfindet.


Letzte Saison haben Sie einen Aufruf zum Crowdfunding gestartet. Wie weit hat Ihnen das geholfen?

Ich weiss jetzt, dass ich bis Peking 2022 mein Off-Snow- und Mentaltraining bezahlen kann und ich mein Training nicht reduzieren muss, um nebenbei mehr als 50 Prozent zu arbeiten. Zudem hat mich der riesige Support von unglaublich vielen Leuten überwältigt und mich zu noch mehr motiviert.

02.04.2020 :: Olivia Portmann (opk)