Gegen nasse Böden

Gegen nasse Böden
Schangnau: Hunderte Hektaren Land wurden einst mit Drainagen entwässert, um die Parzellen besser bewirtschaften zu können. Von Zeit zu Zeit müssen diese Anlagen erneuert werden.

Das aktuelle Bauprojekt der Flurgenossenschaft Schangnau umfasst 27 Parzellen mit einer gesamten Fläche von 25,7 Hektaren. Auf diesen Wiesen sollen die Drainagenleitungen in den nächsten vier Jahren erneuert werden, das entsprechende Bauprojekt liegt noch bis am 28. März öffentlich auf.



Parzellen vernässen rasch wieder

«Der Unterhalt der Drainagen ist eine Daueraufgabe», sagt Fritz Bürki, Präsident der Flurgenossenschaft Schangnau. Es gebe Anlagen, welche vor vielen Jahrzehnten erstellt und noch heute gut laufen würden. «Es kommt aber auch vor, dass die Drainagen nicht mehr funktionieren und einzelne Stellen dann umgehend stark vernässen, was die Bewirtschaftung praktisch verunmöglicht.» Zum einen können die Parzellen – es handelt sich im Fall von Schangnau um Mähwiesen und nicht um Weiden – nicht mehr mit Maschinen befahren werden. Zum andern wachsen auf den nassen Stellen Pflanzen, welche vom Vieh als Futter nicht geschätzt werden. «Es kommt vor, dass Leitungen verschlammen oder dass einzelne Rohre verschoben oder zerdrückt wurden», nennt Fritz Bürki Beispiele.

Seit wann werden im Gebiet Schangnau Wiesen entwässert? «Ich weiss das nicht genau», meint Bürki, «aber sicher schon seit weit über hundert Jahren, wenn man die alten Drainagen sieht.» Die Flurgenossenschaft Schangnau wurde am 13. Juli 1945 gegründet. Das hat der einstige Gemeindeschreiber Hans-Ulrich Siegenthaler herausgefunden, welcher das Gründungsprotokoll studiert hat. 24 Mannen und ein «Kulturingenieur» seien anwesend gewesen. «Wenn man die Namen der Landwirtschaftsbetriebe anschaut, sieht man, dass sich bis heute nur wenig geändert hat», meint Hans-Ulrich Siegenthaler.



«Das war harte Arbeit»

Einer, der sich noch an die Anfänge erinnern kann, ist Christian Reber vom Hof Büetschli. Als die Flurgenossenschaft gegründet wurde, war er 18 Jahre jung. «Wir hatten schon vorher drainiert. Wir haben das jeweils mit benachbarten Bauernfamilien gemacht», erinnert sich der 93-Jährige. Nach der Gründung der Flurgenossenschaft seien dann noch viel mehr Entwässerungsanlagen erstellt worden – nun mit Subventionen. «Lange Zeit machte man alles von Hand. Das war eine strenge Arbeit, durch all die Steine und den Lätt zu graben», berichtet Christian Reber. Anpacken mussten junge Burschen aus der Gegend. Angeleitet wurden sie vom Drainiermeister. «Er wollte gute Arbeit und war oft sehr streng», erinnert sich Christian Reber. Er hat die ganze Entwicklung der Drainiertechnik miterlebt. «In den ersten Jahren wurden kurze Tonröhren verlegt. Durch die Schlitze zwischen den Röhren konnte dann das Wasser abfliessen», beginnt er die Aufzählung. «Dann kamen Schläuche auf mit Löchern drin, sogenannte Gurgeln. Die haben sich aber nicht so bewährt und mussten vielerorts ersetzt werden – durch PVC-Rohre. Diese waren gut. Leider hat man aber am Anfang oft nur dünne verlegt, oft nur mit einem Durchmesser von fünf Zentimetern.» Auch das Material, das auf die Rohre gelegt wird, habe sich geändert. Zunächst seien Holzwolle oder «Mutten» eingesetzt worden. Später «Wedelen» oder «Chrisäste». «Die Nadeln haben dann aber oft die Rohre verstopft», weiss Christian Reber. Schon seit einiger Zeit komme deshalb Sickergrien zum Einsatz, was sich sehr bewähre.



Viel Eigenleistung eingerechnet

Es ist nicht das erste Erneuerungsprojekt der Flurgenossenschaft Schangnau; das letzte wurde ab 2012 durchgeführt. Deshalb weiss man, worauf es ankommt. «Die beste Zeit für die Arbeit ist der Herbst», weiss Fritz Bürki. «Wir möchten viel in Eigenregie bauen. Das Ziel ist, dass ein Bagger samt Führer engagiert wird und wir den Rest selber machen.» Wie aus den Unterlagen hervorgeht, sind 51’000 Franken für Eigenleistungen einkalkuliert. Das sind gut acht Prozent der Gesamtkosten, welche 630’000 Franken betragen. Dank Subventionen von Bund und Kanton von rund 440’000 Franken und einem Beitrag von «Alpinfra» (ehemals Hilfe für Bergemeinden) werden die Restkosten für die Landeigentümer am Ende rund 170’000 Franken betragen – nicht wenig Geld für die Bauernfamilien. «Aber wenn man das Land bewirtschaften will, muss man auch zu den Drainagen schauen», meint Fritz Bürki.

«Es werden keine neuen Drainage-Projekte unterstützt»
Das Projekt der Flurgenossenschaft Schangnau wird durch Subventionen mitfinanziert. Genehmigt wurden diese durch die Abteilung Strukturverbesserungen und Produktion, die zum kantonalen Amt für Landwirtschaft und Natur gehört. Roger Stucki ist Leiter der Fachstelle Tiefbau.  Herr Stucki, der Kanton fordert einerseits eine ökologischere Landwirtschaft, andererseits subventioniert er Entwässerungsprojekte. Ist das kein Gegensatz? Man muss bedenken, dass im Kanton Bern seit 30 Jahren keine neuen Drainagen mehr unterstützt werden. Subventioniert wird lediglich die Rekonstruktion und Erneuerung bestehender Anlagen. Im Kanton Bern werden pro Jahr durchschnittlich 200’000 Franken dafür eingesetzt; weiter fliessen noch Bundesgelder in etwa derselben Höhe. Dass solche Vorhaben subventioniert werden, müssen gemäss gesetzlicher Vorgaben einige Kriterien erfüllt sein.  Zum Beispiel? Es wird ein Gesamtkonzept über ein grösseres Gebiet verlangt. In Schangnau lässt dies die Flurgenossenschaft von einem Ingenieurbüro ausarbeiten. Was die einzelnen Parzellen betrifft, muss priorisiert werden. Es muss sich um gutes Wiesland in der Nähe des Hofes handeln. Abgelegene, kleine Parzellen werden nicht berücksichtigt. Weiter werden auch im Zusammenabteilung mit der Abteilung Naturförderung ökologische Kriterien berücksichtigt.  Die Kosten der Sanierung betragen pro Are 243 Franken. Ist das wirtschaftlich, wenn man bedenkt, dass es sich «nur» um Wiesland handelt? Es ist klar, dass die Wertschöpfung etwa im Berner Seeland, wo grosse Teile drainiert sind, grösser ist als bei einer Wiese im Berggebiet. Deshalb gibt es Limiten, was die Erneuerungsprojekte anbelangt. Im Berggebiet dürfen die Gesamtkosten 25‘000 Franken pro Hektare nicht übersteigen.  Werden solche Projekte auch künftig subventioniert? Es ist möglich, dass die Strategie mit der Agrarpolitik AP22+ überarbeitet wird. Wie genau ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestimmt. Grundsätzlich ist es so, dass der Erneuerungsbedarf dieser Anlagen gross ist, weil viele in der Zeit des Zweiten Weltkrieges erstellt worden sind.
Von 1850 bis 1980

«Im Kanton Bern bildeten sich nach 1850 sogenannte Entsumpfungsgenossenschaften mit dem Recht, Moore und Sümpfe trockenzulegen. Zwischen 1885 und 1940 wurden mittels Tonröhrendrainage und anderer Techniken gesamtschweizerisch etwa 80’000 Hektaren Moorland entwässert. Während des Zweiten Weltkriegs kamen im Rahmen der Anbauschlacht weitere 80’000 ha dazu», ist im historischen Lexikon HLS unter dem Stichwort «Moore» zu lesen. Der Umfang der Flach- und Hochmoore sei im Laufe des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts insgesamt um 90 Prozent gefallen.

Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Landwirtschaft aus dem Jahr 2010 sind schweizweit rund 192’000 Hektaren Land drainiert worden. Dies entspricht 4,7 Prozent der Fläche der Schweiz beziehungsweise knapp einem Fünftel der landwirt- schaftlichen Nutzfläche. 80 Prozent der drainierten Flächen befinden sich in der Talzone, die restlichen 20 Prozent in der Hügelzone und den Bergzonen I bis IV wie auch im Sömmerungsgebiet. Das Netz an Drainagen wurde in der Schweiz grösstenteils bis Ende der 1980er-Jahre errichtet, steht in der Studie weiter.

26.03.2020 :: Bruno Zürcher (zue)