Emmental: Die wahre Pionierin und die heimliche Königin der Emmentaler Brückenbaukunst sei die 1834 erbaute Horbenbrücke. Dies schreibt Hanspeter Buholzer in seinem neuen Buch.
«Von allem, was der Mensch baut und aufbaut, gibt es nichts Besseres und Wertvolleres als Brücken.» Dieser Satz stammt vom jugoslawischen Schriftsteller Ivo Andric. Für seinen Roman «Die Brücke über die Drina», wurde er 1961 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Dies war aber nicht der Auslöser für den Langnauer Hanspeter Buholzer, ein Buch über Holzbrücken in der Schweiz zu schreiben. «Wir sind Mitte der Achtzigerjahre ins Emmental gezogen. Sofort fielen mir die vielen Holzbrücken auf; sie waren nur einspurig befahrbar und oftmals musste ich vor ihnen anhalten und den Gegenverkehr abwarten», erinnert sich Buholzer. «Dann war da auch der Disput zum Ersatz der Horbenbrücke – Holz oder Beton – dessen Schlachtenlärm weit über die Region hinausdrang und der mein Inte-
resse weckte. Es waren aber auch die unterschiedlichen Konstruktionen und die geschichtlichen Zusammenhänge, die meine Begeisterung für die Holzbrücken wachsen liess.» Aus dieser Begeisterung heraus hat er 2014, in Zusammenarbeit mit sechs Oberemmentaler Gemeinden, den Holzbrücken-Weg geschaffen. Zwei Jahre später gab Hanspeter Buholzer das mittlerweile vergriffene Buch «Holzbrücken im Emmental» heraus. Und nun ist – wiederum in Zusammenarbeit mit dem Langnauer Fotografen Daniel Fuchs – das Buch «Historische Holzbrücken der Schweiz bis 1850» entstanden.
Brücken als Richtstätte Hanspeter Buholzer schreibt in seinem Buch: «Die Entwicklung des Holzbrückenbaus in der Schweiz lässt sich lückenlos über Jahrhunderte hinweg bis in die Gegenwart verfolgen. Von den Zerstörungen zweier Weltkriege verschont, bietet die Schweiz eine europaweit einzigartige Konzentration von gedeckten Holzbrücken vom Mittelalter bis in die heutige Zeit.» Er beginnt sein Buch mit einer geschichtlichen Betrachtung des Brückenbaus von der Antike bis ins Mittelalter. So berichtet Hanspeter Buholzer etwa, dass die Brücken damals nicht nur dem Verkehr dienten, sondern auch andere Aufgaben hatten. So sei auf ihnen Handel betrieben oder Recht gesprochen worden. Sie hätten aber auch als Zoll- und Richtstätte gedient; so seien beim Käppelijoch auf der Basler Rheinbrücke Todesurteile durch Ertränken vollstreckt worden.
Brückenbaukunst Ein weiteres Kapitel widmet er der Baukunst und damit der Konstruk-
tion der Brücken. So ist zu lesen, dass der Brückenbau bis zum Aufkommen der wissenschaftlich ausgebildeten Ingenieure im 19. Jahrhundert den Zimmerleuten oblag. Ihr grosses Können habe aus überliefertem Wissen, Erfahrung und einem guten technischen Vorstellungsvermögen bestanden. Das Buch enthält auch interessante Details zur Auswahl des Holzes, der Bearbeitung der Stämme und Balken und zu den speziellen technischen Besonderheiten beim Brückenbau. Es beschreibt die verwendeten Werkzeuge und die einzelnen Arbeitsschritte, die Verbindung und Verzahnung der Balken, den Dachbau oder, als Besonderheit, die Bezeichnung der Bauteile mit Abbundzeichen. Erwähnt sind aber auch Zimmerleute und Brückenbauer, die mit ihren Konstruktionen einen besonderen Bekanntheitsgrad erlangten oder Brücken mit extrem grossen Spannweiten bauten. Unter ihnen befindet sich Johann Rudolf Gatschet (1805–1856), nach dessen Plänen die grossen Emmentaler Bogenbrücken in Schüpbach, Zollbrück oder Hasle gebaut wurden. Brücken, die nach der «Wassernoth» von 1834 entstanden sind und noch heute einen Schwerpunkt in der Emmentaler Brückenlandschaft darstellen.
Brücken als Kriegsopfer Buholzer weiss auch einiges über Brückenbrände zu berichten. Weitaus die meisten Holzbrücken seien in der Franzosenzeit durch Brand zerstört worden. Er listet im Buch über ein Dutzend Exemplare auf, die durch die Eidgenossen selber oder aber durch französische, österreichische oder russische Truppen abgebrannt wurden. Dies etwa, um den Vorstoss des Feindes zu stoppen, den eigenen Rückzug zu sichern oder seinen Unmut gegenüber der Obrigkeit auszudrücken. Im Buch erwähnt sind auch spätere Brückenbrände wie etwa diejenigen in Zollbrück, in Büren an der Aare oder in Luzern.
Brücken aus vielen Landesteilen In einem Grossteil des 320 Seiten starken Buches sind insgesamt 68 Holzbrücken vorgestellt, die vor 1850 gebaut wurden. Alle Brücken sind beschrieben und mit Plan- und Kon-
struktionsdetails ergänzt. Dank des A4-Formats des Buches kommen die eindrücklichen Gesamt- und Detailaufnahmen des Fotografen Daniel Fuchs sehr schön zur Geltung. Nebst verschiedenen grossen Brücken über Rhein, Aare, Limmat und Reuss enthält das Buch zahlreiche Holzbrücken des Emmentals. Beschrieben sind aber auch besondere Brücken wie die Gümmenenbrücke, die Kapellbrücke und die Spreuerbrücke in Luzern oder die mit 205 Metern längste Holzbrücke der Schweiz über den Rhein in Stein/Säckingen.