Freddies Blues

Die feuerwerksbedingten Schwefelschwaden haben sich verzogen. Eine vergessen gegangene Luftschlange erinnert noch an das alte Jahr. Sie hängt von einer Vorhangstange. Draussen auf dem Balkon wartet die Weihnachtstanne darauf, entsorgt zu werden. Ein paar Lamettafäden flattern im Föhnwind.

Die Fondue-Caquelons und Raclette-Pfänneli sind von den letzten Käseresten befreit und zusammen mit öfeli, Schüfeli, Gäbeli und Rechaud wieder auf dem Estrich verstaut. Langsam normalisiert sich die Verdauung, das war zu hoffen. Ein paar der guten Vorsätze sind bereits gebrochen, das war zu erwarten.

Die Feiertage sind vorüber, wir unternehmen erste Schritte in ein neues Jahr. Was mag es uns bringen? Wohin wird es uns führen? Welche Höhen, welche Tiefen, welche überraschungen hält es bereit? Ein Strauss von Möglichkeiten breitet sich vor uns aus. Na ja, vielleicht bleibt auch alles beim Alten. Wir werden sehen.

Ein paar Ferientage bleiben noch, bevor es wieder an die Arbeit geht. Eine Tasse Kaffee in der einen, eine Zeitschrift in der anderen Hand schlurfe ich im Pyjama Richtung Fauteuil durch die Stube.

Plötzlich schiesst wie von der Tarantel gebissen unsere getigerte Katze unter dem Sessel hervor. Sie jagt hinter einer dieser komplett sinnfreien Tischbombenpapierkugeln her. Die müssen wir beim Aufräumen übersehen haben. Wenigstens die Katze kann etwas mit dem notdürftig als Spielzeug getarnten Abfall anfangen. Mit Mordskaracho rast sie mir zwischen die Füsse. Ich verliere das Gleichgewicht. Halb stolpernd, halb stürzend rette ich mich Richtung Sessel. Mein Kaffee schwappt über, ergiesst sich auf Zeitschrift, Sitzmöbel und das Tier. Zu allem Unglück trete ich auch noch auf die Katze drauf. Ein gequältes Quietschen, ein Fauchen, unmittelbar gefolgt vom Klappern des Katzentürchens.

Pochenden Herzens sinke ich in den Sessel. Jetzt bin ich jedenfalls wach. Noch vor dem ersten Schluck Kaffee.

«I’ll kill that cat», knurre ich und denke an Freddie Frinton, wie er als Butler James Jahr für Jahr zu Silvester über die Bildschirme stolpert, stets um Haltung bemüht, während er einem unsinnigen, ewig gleichen Prozedere folgend seinen Pflichten nachkommt. Dem gerät auch ab und zu ein Tiger in die Quere.

Ich bleibe eine Weile sitzen, schlürfe den verbliebenen Rest Kaffee und lese die triefende Zeitschrift. Das
neue Jahr kann kommen. Es gibt noch Luft nach oben. Die Papierkugel werfe ich später in den Müll.

I’ll do my very best.


03.01.2020 :: Peter Heiniger