«Jean-Luc, hier kann man keine Autobahn bauen»

«Jean-Luc, hier kann man keine Autobahn bauen»
Oberthal: Im Dachstock des Schulhauses erzählte Alt-Bundesrat Adolf Ogi einige Anekdoten aus seinem Leben, zum Beispiel wie er zu seinem Amt in der UNO berufen wurde.

Unter dem Titel «Von Kandersteg via Bern nach New York und zurück» erzählte Adolf Ogi mit viel Temperament und engagiert aus seinem Leben als Bundesrat und gab auch einiges von seinem Privatleben preis.

Sein Vater, Gemeindepräsident, Bergführer und Förster, hat seinen Buben zeitlebens geprägt. Er war ein Dienender. «Mein Vater hat als Bergführer und Förster drei Gletscher ausgemessen. Als kleiner Bub durfte ich ihn beim Ausmessen begleiten», erzählte Ogi. Der Vater weckte in ihm die Liebe zur Natur, zu den Bergen und zu «seinem» Kandersteg.

2009 traf die Familie von Adolf Ogi ein schwerer Schicksalsschlag: Ihr Sohn Mathias, Jurist und Sportler, verstarb 35-jährig nach längerem Kampf gegen den Krebs. «Ich weiss, dass ich nicht der Einzige bin, der ein solches Schicksal erleiden musste, aber es ist nicht gut, wenn Kinder vor den Eltern gehen müssen.»



Heli-Flug brachte Einsicht

Nur eine Anekdote von vielen: Als Verkehrsminister hat Adolf Ogi alle Verkehrsminister Europas nach Wassen eingeladen. Der Druck des Auslands auf die Schweiz, für mehr Lastwagenfreiheit in den Schweizer Alpen zu sorgen, war sehr gross.

Vor der Kirche in Wassen zeigte Ogi ihnen die Gegend: «Hier die Reuss, die Staatsstrasse, die Eisenbahn und die Autobahn» – und mit dem Blick ins Tal – «und in diesem Raum haben sie vor allem den Lärm», erklärte Ogi. Die meisten Verkehrsminister hätten die Botschaft verstanden, einige nicht. Einer habe es einfach überhaupt nicht begreifen wollen: Der Verkehrsminister von Belgien Jean-Luc Dehaene.

Für den Flug mit dem Helikopter zum Zvieri nach Kandersteg gab Adolf Ogi dem Piloten den Auftrag, einen Abstecher zur Eigernordwand zu unternehmen. Sie flogen ganz nahe am Felsen und als der Helikopter noch etwas wackelte sagte Ogi zu Jean-Luc Dehaene: «Jean-Luc, hier kann man wirklich keine Autobahn bauen.» Da sei dieser auf die Knie gesprungen und habe gefleht: «Ich sehe es, ich habe Angst, lass uns weiterfliegen.» Von da an sei Jean-Luc Dehaene einer der besten Vertreter der Schweizerischen Verkehrspolitik in der EU geworden, war Ogi der Meinung.



Der Bub aus Kandersteg und die UNO

Mit dem ehemaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan verband Ogi eine tiefe Freundschaft. Eines Tages, Adolf Ogi war gerade freiwillig aus dem Bundesrat zurückgetreten und mit seiner Frau Kathrin auf der Rückreise von ihren Ferien, da läutete das Autotelefon. Kofi Annan war dran: «Dolfi, ich würde dich gerne zu meinem Sonderberater im Sport in Dienste von Entwicklung und Frieden ernennen.» Die Verbindung war schlecht und brach ab. Das Telefongespräch wurde später nachgeholt und so kam der Bub aus Kandersteg zu einem wichtigen Amt in der UNO und reiste als erste Amtshandlung zu den 7. Special Olympics nach Alaska.

Es wäre vermessen, in so einem kurzen Beitrag Adolf Ogi gerecht zu werden. Sein Lebenswerk, seine Ernennung zum Bundesrat und seine Tätigkeit als Sportler und Sportminister, das alles kam im Vortrag vor. Doch manch einer stellte fest: Adolf Ogi ist ein Dienender, wie es sein Vater war.

12.12.2019 :: Markus Wehner (wmb)