Die Ründi – Schmuck und Schutz

Die Ründi – Schmuck und Schutz
Zuerst war die Ründi ein Statussymbol reicher Bürger. Später tauchte sie an Bauernhäusern auf, wie jenem in der Gumpersmühle bei Grünenmatt.

Das Emmental hat eine ganze Reihe von prächtigen Häusern, die an Stattlichkeit kaum zu übertreffen sind. Viele von ihnen haben eines gemeinsam: Eine gut proportionierte Ründi, die das Auge erfreut.

Die Entstehung der Ründi

Die Ründi ist die letzte Stufe einer langen Entwicklung. Die ersten Häuser im Emmental besassen mächtige Walmdächer, die auf allen vier Seiten fast den Boden berührten. Wie eine riesige Plache schützte das Dach das Holzhaus vor Regen, Schnee und Wind. Mit dem steigenden Wohlstand wuchs das Bedürfnis nach Licht. Um das Dach auf einer Seite zu heben, brauchte es eine neue Konstruktion, schreibt Hans Schmocker über das Bauen im Emmental. Man hängte das Dach nicht mehr an den Hochstüden auf, sondern setzte den Dachstuhl auf das Haus auf. Auf der Frontseite, die mehr Licht erhalten sollte, hätte man jetzt ganz auf ein Dach verzichten können, doch wegen des regenreichen Klimas hielt man am Vordach fest und liess es möglichst weit über die Fassade herausragen. Die frei stehenden Teile wurden mit senkrechten und waagrechten Balken abgesichert. Um die Freibünde vor dem Wetter zu schützen, schalte man sie ein. «Gab man dieser Verschalung eine Bogenform, so entstand die Ründi», führt Schmocker aus.

Die Ründi am Stock der Gumpersmühle  

Während die Ründi sich in den Dörfern ausbreitete (siehe Kasten), ging die Entwicklung bei den Bauernhäusern langsamer vorwärts. Zuerst waren es die Wohnstöcke, die mit einem Rundbogen ausgestattet wurden. Eine der ersten Ründi befindet sich am Wohnstock der Gumpersmühle. Das Anwesen mit Bauernhaus, Stock, Scheune und Speicher befindet sich auf der Ebene zwischen Ramsei und Grünenmatt. Vom Zug und von der Strasse ist das Gut zu sehen. Der Wanderweg führt direkt am Buchsgarten des Stöcklis vorbei. Ein wohlhabender Bauer, der im Gericht sass und ein ranghoher Offizier war, liess das repräsentative Stöckli 1752 erbauen. über der wohlproportionierten Hauptfassade erhebt sich ein reichbemalter Ründihimmel.
Auf der Ründi prangen zwei Gardisten mit Federhüten. Sie begrüssen den Ankömmling. Sie tragen individuelle Uniformen und sind mit Lanze und Säbel bewaffnet. Ornamente aus Linien und Schnörkeln schmücken den Rundbogen und lassen an eine Kassettendecke denken.
Unterhalb der Ründi ist auf einem Zierbrett eine umfassende Bauinschrift angebracht. Sie nennt zuerst den Bauherrn Michael Bärtschi. Dann folgen die Namen der Leute, die das Haus gebaut haben: Der Maurer, der Zimmermann, der Schreiner (Tischmacher) und der Maler. Am Schluss bittet die Inschrift um Schutz und Segen.
Bei den Figuren kümmerte sich der Maler Hieronimus Schmutziger wenig um die Perspektive. Die Füsse sind von der Seite dargestellt, Kopf und Oberkörper von vorne. Umso fröhlicher wirken die Gardisten. Die farbenfrohe Darstellung erinnert an naive Malerei.

Unter Bundesschutz

Der Bauernhausforscher Heinrich Christoph Affolter schreibt über die Ründihäuser: «Hochmodern und Aufsehen erregend mussten sie neben den damaligen Bauernhäusern gewirkt haben.» Der Stock der Gumpersmühle war ohne Zweifel ein solcher Fall. Auch wenn er abgelegen stand, mit seinem Ründihimmel sorgte der extravagante Bau bestimmt für Gesprächsstoff. 1990 wurde der Stock renoviert. Die Prachtfassade erstrahlt in neuem Glanz. Seit 1978 steht das aussergewöhnliche Haus unter Bundesschutz.

Quellen: «Die Bauernhäuser des Kantons Bern», Band 2, Heinrich Christoph Affolter. «Emmental», Silva-Verlag 1991, Hans Schmocker.
Modernes Architekturzeichen
Die Ründi kam aus der Stadt und wurde auf dem Land zuerst an den Pfarrhäusern angebracht. Ab 1750 folgten die Wirtshäuser, die Mühlen, die Wohn-und Geschäftshäuser der reichen Kaufleute und Gewerbetreibenden. «In den grossen Dörfern wird die Ründi zum modernen Architekturzeichen repräsentativer Bauten», schreibt Bauernhausforscher Heinrich Christoph Affolter.
Bei den Bauernhäusern ging es etwas langsamer vorwärts. Es gab Gegenden, zum Beispiel das untere Emmental, die Halb-und Viertelwalmdächer ohne Ründi bauten. Doch im 19. Jahrhundert, in der Folge der wirtschaftlichen Blüte und des Zusammenbruchs des Ancien Régime, schossen die Ründihäuser wie Pilze aus dem Boden. Die Beliebtheit der Ründi hielt bis ins 20. Jahrhundert an.
23.01.2014 :: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)