Kulturschock – oder nicht?

«Uf Platz eis aaträtte: Gäumann Jasmin – Siegenthaler Sina.» Oder: «Let´s make some noise for Siegenthaler,
Jacobellis, Brockhoff and Trespeuch!» Was zum Gugger haben die zwei Ansagen miteinander zu tun?

Ich bin im Oberemmental in einer Schwingerfamilie gross geworden. Mein jüngerer Bruder wuchs wortwörtlich in die Schwinghosen rein. Und wenn der Pfüderi schon schwingen konnte, wollte klein Sina auch. 2011 durfte ich ans erste Schwinget. Abgesehen von den Trampolin-Zweikämpfen mit meinen Geschwistern hatte ich bis dato nur ein einziges Schwingtraining absolviert. Ich dachte aber: Ich muss gleich von Anfang an wissen, ob es etwas für mich ist, sonst ist es Zeitverschwendung. Ich hatte als Kind bereits zu viele Hobbys, ich musste rationalisieren und Sportarten nachgehen, bei denen ich baldmöglichst Wettkämpfe bestreiten konnte. Daraufhin war ich fünf Jahre lang im Sommer unter anderem Schwingerin und Nationalturnerin, im Winter verbrachte ich jede freie Minute auf dem Snowboard.

Meine Eltern brauchten Nerven. Damals vor allem, wenn ich einst noch als Finöggeli gegen die starken Jungs und Mädels in den Ring stieg. 

Rebellen, Hippies, Punks. Stereotypisch waren Snowboarder noch unter diesen Begriffen in den Köpfen der Leute, als ich mit vier Jahren mit Snowboarden begonnen habe. Das war in jener Zeit, als meine Eltern sich manchmal Sorgen machten. Nicht wegen der Szene, nicht wegen ihren Kindern. Sondern wegen den Leuten, die am Skilift nur knapp die Masten verfehlten, wenn sie einen knapp metergrossen Knirps den Hügel herabrasen sahen. Zwanzig Jahre später sind die Meinungen über den Snowboardzirkus nun realitätsgetreuer.

Was immer da war? Der Zusammenhalt. Sportartenübergreifend. In der Schwingerszene fühle ich mich immer noch daheim. Ich kenne auf dem Platz viele Leute, bin mal als Speakerin oder in der Tracht dabei. Ich bekomme oft mit, dass Menschen, die einst als Schwingerin meine Resultate verfolgten, jetzt meine Ränge im Boardercross auswendig können. Snowboarden ist mein grösstes Hobby, mein Lebensmittelpunkt und mein Beruf geworden. Bei einer Übertragung im ORF hat sich der Moderator live entschuldigt, als er mir bei einem Sturz nach einem Überholmanöver zuerst unbegründet Kamikaze vorgeworfen hatte: «Mit der Sina will ich mich nicht anlegen, die hat noch einen zweiten starken Sport, nämlich Schwingen!» 

Die beiden Sportarten haben also mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Und für die Nerven meiner Eltern ist wohl beides nicht so gut!

11.04.2024 :: Sina Siegenthaler