Nach dem Theoriebüffeln freut sich Cyber-Rekrut Roger auf den Praxisteil

Nach dem Theoriebüffeln freut sich  Cyber-Rekrut Roger auf den Praxisteil
Jassbach: Halbzeit beim ersten Cyber-Lehrgang der Schweizer Armee. Die 18 Rekruten lernen, Cyber-Bedrohungen zu erkennen, vor Angriffen zu schützen und diese abzuwehren.

Es sind vorwiegend Informatiker, Mediamatiker, Maturanden und Informatik-Studenten, welche den Cyber-Lehrgang absolvieren, der in der Schule für elektronische Kriegsführung in Jassbach durchgeführt wird. «Allerdings haben wir bei der Selektion auch Personen berücksichtigt, die autodidaktisch umfassende Kenntnisse im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik erworben haben», sagt Robert Flück, Projektleiter Cyber der Armee bei der Führungsunterstützungsbasis. Weiter müssten die Rekruten über eine überdurchschnittliche Auffassungsgabe verfügen, belastbar, verschwiegen und verantwortungsbewusst sein. Eine weitere Bedingung ist das Weitermachen zum Wachtmeister. 40 Wochen oder 800 Stunden dauert der Cyber-Lehrgang, deutlich länger als die «gewöhnliche» RS von 18 Wochen. 140 Interessenten haben sich für diesen Pilotlehrgang gemeldet, 20 wurden aufgeboten, zwei verzichteten.


Theorie in die Praxis umsetzen

Einer der Auserwählten ist Roger. Sein richtiger Name wird aus Gründen des Identitätsschutzes nicht genannt. Im ersten Teil der Ausbildung, der nach der sechswöchigen allgemeinen Grundausbildung begann, sei es vor allem um theoretische Kenntnisse gegangen. «Wenn wir das System der Armee schützen wollen, müssen wir es bis in die Tiefe kennen.» Es werde sehr viel Stoff vermittelt, nebst technischen Grundlagen auch Ethik und Recht. Nach jedem Modul gebe es eine Prüfung. Vieles sei für ihn Wiederholung gewesen, sagt der Informatik-Student, der das Bachelordiplom erworben hat und vor dem Masterstudium steht. Er freue sich darauf, im praktischen Teil, der nun folgt, die Theorie anwenden zu können. Das werde ihn auch auf seinem späteren beruflichen Werdegang weiterbringen (siehe Kasten). Mit dem bisherigen Verlauf des Lehrgangs zeigt sich Roger zufrieden. Dass er bis zu zehn Stunden am Tag am Computer sitzt, stört ihn nicht. «Das gehört dazu und die Stimmung untereinander ist gut.»


Darf die Schweiz angreifen?

Aufgabe der künftigen Cyber-Soldaten ist es, die Fachspezialisten der Armee beim Schutz der militärischen Rechenzentren und Kommunikationssysteme vor elektronischen Attacken zu unterstützten und Angriffe abzuwehren. Dabei gehe es den Angreifern meist um folgende Ziele, wie Robert Flück ausführt: Daten stehlen oder diese verändern, spionieren und das Funktionieren von Systemen stören oder verunmöglichen. Die Herausforderung bestehe darin, möglichst schnell zu bemerken, dass ein Angriff laufe, diesen zu stoppen und herauszufinden, wo und durch wen er gestartet wurde. «Gerade letzteres ist äusserst schwierig», so Flück.

Wie verträgt sich diese Arbeit mit der Neutralität? Darf die Schweiz fremde Systeme hacken? Die Armee bewege sich auch im Cyber-Bereich im Rahmen des Militärgesetzes, betont der Projekleiter Cyber der Armee. «Es ist ähnlich wie bei einem konventionellen Angriff: Abwehren dürfen wir immer, angreifen, das heisst in fremde Netzwerke eindringen und diese stören, in Friedenszeiten jedoch nur mit Bewilligung des Bundesrates.»


Vorteile des Milizsystems

Robert Flück ist überzeugt, dass die Schweiz mit ihrem Milizsystem bei der Cyber-Abwehr einen Vorteil gegenüber anderen Ländern aufweise. «Wir können auf gut ausgebildete Rekruten zählen, die eine Lehre oder ein Studium im IT-Bereich absolviert haben und in ihrem Berufsalltag damit arbeiten.» Auf dieses Grundwissen könne die Armee aufbauen. Auch später, in den Wiederholungskursen, würden sie von der zivilen Berufserfahrung der Cyber-Soldaten profitieren.

Der erste Cyber-Lehrgang bildet für die Armee einen Meilenstein im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans für Cyber-Defence des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Nicht nur die Armee, auch der Bundesrat will in Sachen Cyber-Abwehr vorwärts machen, nachdem ihn das Parlament dazu gedrängt hat. So hat er die Nationale Strategie zum Schutz der Schweiz vor Cyber-Risiken verabschiedet und plant ein Cybersecurity-Kompetenzzentrum.

Am Ende des Lehrgangs winkt der Fachausweis
Für den Cyber-Lehrgang geht die Armee eine Kooperation mit der Privatwirtschaft ein. Die Ausbildung soll mit der Berufswelt oder dem Studium vernetzt sein. So können die Absolventen ab Herbst 2019 den «Cyber Security Specialist mit eidgenössischem Fachausweis» erlangen. «Wenn die  Rekruten schon so viel in die Ausbildung investieren, sollen sie auch dafür belohnt werden, indem sie einen Vorteil für ihr Berufsleben gewinnen», sagt Robert Flück. Aber auch die Armee und die Wirtschaft profitierten, indem sie den Bedarf an praxisorientierten Cyber-Spezialisten besser decken könnten. Ab nächstem Jahr sollen pro Jahr zwei Cyber-Lehrgänge mit je 25 Rekruten durchgeführt werden. Ziel ist es, bis 2025 über 600 Cyber-Milizionäre zu verfügen.
28.12.2018 :: Silvia Wullschläger (sws)