Röthenbach: Seit drei Jahren wirten im «Chuderhüsi» Menschen, die auf dem Weg in die «erste Arbeitswelt» sind. Die Institution El Rafa feiert heuer ihr 30-Jahre-Jubiläum.
Für Jonathan Niederer ist es neu, im Gastgewerbe zu arbeiten. Bis vor einiger Zeit lebte er in der Ostschweiz und hatte einen Job als Sanitärinstallateur. «Mir wurde zwar nicht gekündigt, aber ich hatte zunehmend Probleme mit Drogen und Alkohol. Ich sah ein, dass es so nicht weitergehen kann», sagt der 30-Jährige. Wie aber sollte es weitergehen? «Eine Voraussetzung, mein Leben verändern zu können, war, mein Umfeld zu verändern», blickt Jonathan Niederer zurück. «Ein Glücksfall», wie er sagt, war, dass Freunde seiner Eltern die Arbeitsgemeinschaft El Rafa kannten. So kam er nach Schwendibach oberhalb Steffisburg. Dort, im Haus Waldrösli, führt El Rafa eine ihrer Wohn- und Arbeitsgemeinschaften. In Schwendibach werden Männer aufgenommen, die sich in einer Krisensituation befinden und intensive Betreuung brauchen. «Das war genau das Richtige für mich», sagt Jonathan Niederer. «Unter intensiver Betreuung versteht El Rafa nicht primär die professionelle therapeutische Begleitung, sondern sie setzt auf eine familiäre Gemeinschaft», sagt Markus Richner, welcher El Rafa nahesteht und auch ein Buch über die 30-jährige Institution geschrieben hat.
Christlicher Glaube als Grundlage
Stets war die Antriebsfeder der Gründerfamilie Stettler (siehe Kasten) der Glaube an Gott. «Von Anfang an gingen die Leiter des El Rafa davon aus, dass eine lebendige Beziehung mit Gott der wesentlichste Faktor ist, ob ein Neuanfang erfolgreich sein wird (...)», schreibt Markus Richner. Trotzdem sei ein Bekenntnis zum christlichen Glauben keine Aufnahmebedingung. Aber Menschen, die dem Glauben ablehnend gegenüberstehen, würden sich nicht immer wohlfühlen bei El Rafa, räumt er ein.
Gut gibts Gäste und Gemeinschaft
Jonathan Niederer verliess das Haus Waldrösli bereits nach wenigen Monaten. Jetzt wohnt und arbeitet er im Gasthof Chuderhüsi, welcher seit drei Jahren von El Rafa geführt wird. «Hier leben Menschen, die weniger intensive Betreuung brauchen und sich auf den Wiedereinstieg in die ‹erste Arbeitswelt› vorbereiten», sagt Gideon Stettler, der seit Dezember 2016 zusammen mit seiner Frau Marina diese Wohn- und Arbeitsgemeinschaft in Röthenbach führt.
Jonathan Niederer ist begeistert vom «Chuderhüsi». «Ich mag es sehr, mit Menschen zusammenzusein, und bei den meisten Gästen komme ich auch gut an», sagt er. Sein mittelfris-tiges Ziel sei es, in einem «richtigen» Gastgewerbebetrieb Arbeit zu finden. Wohnen möchte er aber weiterhin in der Lebensgemeinschaft. «Denn diese Leute hier sind für mich eine grosse Stütze, auf diese Gemeinschaft werde ich auch in Zukunft angewiesen sein», ist er sich bewusst.
«Wir haben viel dazugelernt»
Während El Rafa heuer das 30-Jahre-Jubiläum feiert, kann der Standort Chuderhüsi auf drei Jahre zurückblicken. Wie sieht die Bilanz aus? «Zu Beginn waren wir überfordert. Die Gäste erwarteten zum Teil dieselben Leistungen wie damals, als das ‹Chuderhüsi› ein Hotel war», sagt Gideon Stettler. Anfänglich hätten sie den Betrieb mit zu vielen und zu kurzfristig eingesetzten Leitungspersonen führen müssen, was zu Unruhe geführt habe. «Nun sind wir ein konstanteres Team. Dies wirkt sich auch für die Gäste positiv aus», sagt Stettler. Nach wie vor würden sie lediglich eine bescheidene Karte anbieten. «Aber heute dürfen die Gäste davon ausgehen, dass die aufgeführten Angebote auch wirklich vorhanden sind», nennt er ein Beispiel.
Die Stettlers, Jonathan Niederer und seine Kollegen wollen alles daran setzen, dass die Gäste gerne bei ihnen einkehren – nicht nur, um eine gute Sache zu unterstützen.